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Fine Young Cannibals go CentrO

Am nächsten Morgen, als MM durchs Treppenhaus in Richtung Speisesaal ging, hatte sie eine psychedelische Erscheinung. Aus der Eingangstür zum Gästehaus kam ihr eine Mischung aus Donovan und Heike Makatsch entgegen und verschwand in der Küche. Während Mathilde der Erscheinung noch nachsah, stellte sie fest, daß dieses Geschöpf sogar olfaktorisch einiges zu bieten hatte. Und auch hier war die Botschaft nicht ganz eindeutig. War es jetzt Rasierwasser, was ihre Nasenschleimhäute attakkierte, oder eher Chanel No 5?
Nun, wenn es sich bei dem Exoten um ein gallsches Familienmitglied handelte, würde ihre Neugier früher oder später sicher befriedigt werden, dachte MM und öffnete die Tür zum Speisesaal.

Der Raum, den sie betrat, machte seinem Namen alle Ehre. Man merkte ihm sofort an, daß er eigentlich für Schulklassen eingerichtet war.
Als MM ihre üppigen Rundungen zwischen Bank und Tisch plaziert hatte, sah sie sich sogleich mit der Frage konfrontiert, ob sie gerne aufgegessen werden wolle, wenn sie einmal tot sei. Der Gesichtsausdruck, mit dem die Mollig diese Frage quittierte, veranlaßte die Mädels zu einer erneuten Runde Kichern, Glucksen und Tischtrommeln.
"Kannibalismus", seufzte Nina mit gottergebenem Klang in der Stimme, "darum geht es schon seit einer halben Stunde."
"Kannibalismus?" fragte MM interessiert und köpfte ihr Frühstücksei, "Ich weiß gar nicht, warum ihr euch mit der Frage beschäftigt. An euch", Mathildes Brötchen beschrieb einen Halbkreis, "ist doch eh nichts dran."
"Mensch, Mollig!" die Psychologin rollte die Augen, "Ich versuch den Mädels beizubringen, daß so ein Unfall wie der von gestern nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist und daß die Frage, ob Unfallopfer eßbar sind oder nicht, nicht in die Rubrik "angemessene Verarbeitungsstrategie" fallen - und jetzt steigst du auf den Scheiß auch noch ein!"
"Mädels! Mädels!" Mathilde kicherte in ihren Kaffee. "Eine Frühstücksplauderei über Kannibalismus zur Bewältigung eines unerwarteten Todesfalls........ Das ist schon, nun, wie soll ich sagen, ein bißchen - ähm extravagant."
Gibbeln, Lachen, Prusten. Dann Edda: "Is ja jut, et tut uns ja och leid um die Kleene. Aber ick meene, wenn wa hier sitzen un uf unsere Schrippen heulen, davon wird se ooch nich widda lebendich."
"Und, naja, eijentlisch ise dat Thema sowieso irjendwie reine Notwehr. Weest du, wat die Frau Psyscholojin nämlisch für os jeplant hat? Ene Reitstunde wollt se os aufet Auch drücke! Nach dem wat jestern passeet ist! Also ählisch, me jeht de Aasch uf Jrundeis. Misch kriegste nit meh druf uf so ene Viesch!" gab jetzt auch Tessa ihren Senf dazu."