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So hatte sie selbst Gelegenheit, sich in Ruhe einen ersten Eindruck des Gesetzeshüters zu verschaffen:

Ein Anzugträger.

Zweifellos einer von der Sorte, die Anzüge unbedingt tragen sollten! In den Keller nämlich, in die Reinigung, zur Sammelstelle der Caritas - nur um Himmels Willen nicht am eigenen Körper! Dieser Anzug erfüllte offenbar in erster Linie einen Zweck: er diente dem Kriminalbeamten als Ganzkörperknautschzone - und diese Aufgabe erfüllte er gut.

Selbstverständlich hatte der Beamte auch vor einer Krawatte nicht zurückgeschreckt. Und ebenso selbstverständlich zeigte der Knoten alle Symptome drohender Auflösung - womöglich ein Zugeständnis seines Besitzers an die 28 Grad Außentemperatur, mit der sich der Spätsommer in diesem Jahr erfolgreich gegen den Herbst wehrte.

'Zehn zu eins, daß das Hemd kurzärmelig ist', wettete MM heimlich mit sich selbst und stellte anschließend stillvergnügt fest, daß sie zu Hause, in ihrer Kölner WG, für solche Äußerungen schon fünf Mark in die Chauvi-Kasse hatte einzahlen müssen - eine Notwehrmaßnahme übrigens, die die Männer ergriffen hatten gegen das feministische Übergewicht, dem sie sich in der Wohngemeinschaft ausgesetzt sahen.

Zur Entschädigung gab die Bewährungshelferin dem Kripomann ein stummes Lob für gutes Farbgefühl: der Anzug in gedecktem zementgrau, das Hemd in einem frischen aschgrau, einfühlsam ergänzt durch die Krawatte in einem hellen mausgrau und - ein prüfender Blick - ja, da gab es keine irritierenden Überraschungen, die Socken in dezentem staubgrau.

Und weit und breit kein Tupfen lila, stellte MM erleichtert fest, also kein erhöhtes Risiko, daß der Kripomann seine Frau in einer ungeblümten Sitzgruppe...... .

"Es deutet alles auf einen Selbstmord hin", riß der Arzt die Bewährungshelferin aus ihren loriotschen* Betrachtungen, indem er dem Kommissar seine dringlichste Frage beflissen beantwortete.........